Neunkircher Rundschau
Montag, 17.Oktober 1994
Uchtelfangen (ets). Mit Betroffenheit
reagierte das Publikum auf die szenische Darstellung des leidvollen Lebensweges
von Caspar Hauser. Erst nach einer kurzen Besinnungspause kam der begeisterte Applaus
für die exzellente schauspielerische Leistung von Steffen Gresch und Thom
Wolff. Die beiden Akteure sind Mitglieder des Saarbrücker Kabarett- und
Literatur-Theaters "Kabali", das auf Einladung des Kulturamtes
Illingen im Uchtelfanger Theaterhaus gastierte. Im Saarland wurde das
Bühnenstück "Das Tagebuch des Caspar Hauser - Psychogramm einer
geschundenen Seele" erst zum dritten Mal aufgeführt. Die Uraufführung
hatte vor zwei Jahren in Ansbach, wo Caspar Hauser 1833 ermordet worden war,
stattgefunden. Zur Einleitung erläuterte der Autor und Regisseur Jürgen Wönne
die Hintergründe und die Intention seines Werkes. Als Quellen hätten ihm die
von Hausers Zeitgenossen und Gönner, Ritter von Feuerbach, verfasste Biographie
und Jakob Wassermanns Roman "Caspar Hauser - oder die Trägheit des
Herzens" gedient. Die einzelnen Szenen beschreiben das traurige Schicksal
des berühmten, 1828 in Nürnberg aufgetauchten Findelkindes. Da sie sich
zeitlich ungeordnet aneinanderreihen, wird dem Zuschauer ein hohes Maß an Konzentration
abverlangt. Gleichzeitig wird die Spannung erhöht. Als dramaturgisch gewollt
erklärte Wönne den sparsamen Einsatz von Dekoration und Requisite sowie die
Besetzung von vier Rollen mit einem einzigen Schauspieler (Thom Wolff). Er habe
weder die Absicht gehabt, die Herkunft des Findlings aufzuklären, noch dessen
Lebenslauf möglichst authentisch nachzuzeichnen. Es sei ihm vielmehr darum
gegangen, das Seelenleben dieses geschundenen, benutzten und ausgebeuteten
Menschen darzustellen. Dies ist ihm im Zusammenwirken mit den Schauspielern in
überzeugender Weise gelungen. Der Kunstgenuss wurde einzig dadurch getrübt, dass
das Theaterhaus unzureichend beheizt war.