Saarbrücker Zeitung - Logo Dienstag 18.Oktober 1994

 

Kultur im Kreis Merzig-Wadern

Licht ins eigene Leben bringen

Auf  den  Spuren  Kaspar  Hausers  in der Stadthalle Merzig

Merzig (wr). Es ist wohl müßig, erzählen zu wollen, wer Kaspar Hauser war. Diese berühmteste Findlingsgeschichte begann am Pfingstsonntag 1828, nachmittags gegen 16 Uhr, in Nürnberg öffentlich zu werden. Anselm von Feuerbach hatte 1832, als Hauser noch lebte, in seinem Buch "Verbrechen am Seelenleben des Menschen" den Finger in die schwärende Wunde gelegt. Jakob Wassermann griff das Schicksal Hausers auf mit seinem Hauser-Werk, das den Untertitel trägt "Die Trägheit des Herzens". Andere berühmte Autoren ließen den Stoff ebenfalls nicht aus. Dieses authentische Schicksal, hervorragend in Szene gesetzt von dem "Saarbrücker Theatermann mit dem Hut", Jürgen Wönne, lockte leider nur eine Handvoll Interessierte in die Merziger Stadthalle. Dabei eilte dem Hauptdarsteller Steffen Michael Gresch der Ruf voraus, daß er diesen Kaspar Hauser in seiner Darstellung auf das Sensibelste getroffen habe. Den Gegenpart in den unterschiedlichsten Rollen der Männer, die den Gequälten bedrängten, spielte Thom Wolff, der seine schauspielerischen Fähigkeiten in Merzig schon des öfteren dokumentierte. Steffen Michael Gresch gelang besonders der Auftakt zu diesem Melodram eines wirklichen Lebens, wie es kein Autor entsetzlicher erfinden kann. Das Entzünden eines Streichholzes, einer Kerze war wie ein verzweifelter Versuch, Licht in das eigene Leben zu bringen. Gresch schaffte es, das ganze Spektrum der Angst und Einsamkeit bereits in diesen ersten Minuten des Stückes auszudrücken. Und wäre es nur bei dieser Szene geblieben, keine Anklage könnte tiefer unter die Haut gehen, als dieses Hantieren eines Kindes, das niemand wollte, das wohl 16 Jahre lang in einem winzigen Raum vegetierte und dann für fünf Jahre zum Spielball der Öffentlichkeit wurde. Jürgen Wönne ist das Kompliment zu machen, daß er den Stoff in einer Weise dramatisierte, die das Schicksal des Kaspar Hauser ohne weitere Sentimentalitäten aufzeigt. Den unterschiedlichsten Interessen hilflos ausgeliefert, ging das Leben dieses berühmten Findelkindes nach weiterer Qual so spektakulär wie es begonnen hatte zu Ende, nämlich durch die Mörderhand eines bis heute Unbekannten.

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